Der
Koloss von Rhodos
Die
Weltwunder der Antike repräsentieren jedes für sich eine
zu jener Zeit herausragende Leistung auf einem speziellen Gebiet.
Beim Koloss handelt es sich um die größte Bronzestatue
der Alten Welt. Wie die meisten der Weltwunder hat auch der Koloss
die Zeiten nicht überstanden. Nichts blieb von ihm als einige
Erwähnungen in antiken Quellen und der Mythos um den Koloss.
Trotzdem versuchen Althistoriker und Archäologen, seine Form
und den Platz an dem er stand zu erschließen.
Trotz aller Unsicherheiten gibt es doch einiges, was wir über
ihn wissen. Überliefert ist eine Höhe von 30 bis 35 m.
Der Anlass seiner Errichtung war der Abbruch der Belagerung von
Rhodos durch Demetrios Polykletes (304/3 v.Chr.). Die Rhodier feierten
dies als klaren Sieg. U.a. aus der Kriegsbeute errichten sie zu
Ehren des Stadtgottes die Heliosfigur. Sicher ist auch, wie lange
er stand - ganze 66 Jahre. Dann stürzte ihn ein Erdbeben. Errichtet
wurde der Koloss Anfang des 3. Jahrhunderts v.Chr. 12 Jahre dauerte
die Errichtung. Als Architekt gilt Chades von Lindos, ein Schüler
des Lysipp. Die Statue war ein Bronzeguss, innen durch Steine verstärkt.
Die Überreste sammelten 653 AD Araber ein und 'recycelten',
sprich verkauften, das Material.
Hauptquellen für den Koloss sind Plinius, Philon und Weihepigramme
(Inschriften). Weder ist in diesen Quellen der Standort angegeben,
noch beschrieben, wie die Kollossalstatue eigentlich aussah. Klar
ist lediglich, es handelte sich um einen aufrecht stehenden nackten
Jüngling mit Strahlenkranz. Die erste bildlich Darstellung
datiert ins Jahr 1556. Soweit gibt es eigentlich wenig Streit. Nun
aber scheiden sich die Geister. Um drei Fragen wird gestritten:
1) Wo stand der Koloss?, 2) Wie wurde er hergestellt? und 3) Wie
sah er eigentlich aus?
Zum Aufstellungsort gibt es zwei große Theorien. Die klassische
Variante vermutete den Koloss am Hafen. Uns ist allen das! Bild
geläufig, welches den Koloss breitbeinig über der Hafeneinfahrt
zeigt. Diese Darstellung ist so überzeugend, dass man hier
stoppen könnte. An Schönheit und Kraft nicht zu überbieten,
fehlt eigentlich nur Eines - historische Evidenz. Es gibt keinen
Beweis, es gibt noch nicht einmal einen Hinweis, der diese Variante
stützt. Auch sucht man nach Plausibilität oder untersucht
den technischen Aspekt, spricht nichts für die Variante.
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Folgt
man letzteren Aspekten, was Theorie Nr. 2 versucht, vermutet man
die Kolossalstatue ganz woanders. Es ist eine Heliosfigur (deshalb
auch der Strahlenkranz). Der naheliegendendste Platz wäre also
das Heliosheiligtum. Das aber liegt nicht am Hafen, sondern (vermutlich)
inmitten der alten Stadt. V.a. Frau
Ursula Vedder spricht sich für diese Theorie aus. Ihre
Argumentation ist sehr einleuchtend und plausibel. Einen Punkt vernachlässigt
sie aber: Konnte man die Skulptur betrachten! Um eine 35m hohe Statue
inmitten eines Heiligtums oder mehr noch einer Siedlung sehen zu
können, müsste es eine riesige Freifläche inmitten
der Stadt gegeben haben. Die ist weder archäologisch fassbar,
noch zu vermuten. Haben die Rhodier also einen Koloss errichtet,
von dem sie nur die Füsse sehen können? Wir wissen es
nicht, allerdings halte ich persönlich diesen Aspekt für
vernachlässigt. Vergleicht man dann noch die anzunehmende Höhe
der umstehenden Gebäude und Wohnhäuser, die im Wesentlichen
zwei Stockwerke gehabt haben dürften, ergibt sich eine Proportion,
die für die Errichtung eines Fernsehturms Sinn macht, doch
nicht für eine Statue zu Ehren des Stadtgottes. Es sei noch
einmal erwähnt: Die Quellen geben keinerlei Aufschluss! Wir
sind also auf uns selbst angewiesen.
Zur
Art der Herstellung ist Philon von Byzanz eine ausführliche
Quelle. Eines der Problem des Philontextes ist die Authentizität
des Autoren. Angelegentlich wird gemutmaßt, dass ein späterer
Rhetor unter dem Pseudonym des großen Architekten schrieb.
Problem Nummer zwei ist, was Philon uns über den Prozess des
Gusses an sich zu berichten weiß. Philon behauptet, der Koloss
sei vor Ort Schicht für Schicht gegossen worden. Hört
sich gut an, ist technisch aber kaum umsetzbar und widerspricht
dem, was wir ansonsten über den antiken Bronzeguss wissen.
Hier mag unser modernes Unvermögen mitspielen, doch die zeitgenössischen
relevanten Vergleichstücke (z.B. die Bavaria in
München)
sind alle aus Teilen zusammengesetzt. Das erlaubt die Herstellung
von Modellen und Gussformen. Der Vorteil: Man weiss vorher, was
hinter bei rauskommt. Der etagenweise Guss, den Philon vorschlägt,
ist wesentlich riskanter. Sicher gab es auch hier ein Modell, ob
der Guss erfolgreich war, weiss man aber praktisch erst nach der
Fertigstellung. Die Plausibilität spricht deutlich gegen die
Authentizität des Philontextes.
Wie sah der Koloss nun wirklich aus? Wir wissen es nicht. Eine Möglichkeit
zu spekulieren, ist das Heranziehen von relevanten Vergleichsstücken.
Doch gibt es die? Der Strahlenkranz scheint gesichert. Es ist eine
Heliosfigur. Ein nackter Jüngling entspricht dem geläufigen
Standard. Ob er spreizbeinig stand oder eher klassischen Darstellungen
entsprach, hängt wohl davon ab, wo man ihn nun lokalisiert.
Bei einer Aufstellung im Hauptheiligtum darf man erwarten, dass
er entspannt stand mit dem Schwerpunkt auf einem Bein. Ob er den
Arm in die Höhe reckte - es ist kaum noch zu ermitteln. Ein
interessanter Gesichtspunkt wäre hier die Gesamthöhe.
Reckte er den Arm mit einer Fackel in die Höhe (wie etwa die
Freiheitsstatue) wäre die Statue selbst wesentlich kleiner,
als wenn sich die 35 m auf die Höhe von Kopf bis Fuß
beziehen. Die an sich geringe Bauzeit ist ein Indiz (kein Beweiss).
Es scheint durchaus plausibel!
Fazit: Das Gefühl sagt, ein mächtiger Helios mit einer
gewaltigen Fackel spreizte die Beine über der Hafeneinfahrt
- ein weithin sichtbarer Beweis des Reichtums und der Macht der
Rhodier. Plausibilität und Befund sprechen eher dagegen. Zwei
Dinge werden bei der Diskussion allerdings vernachlässigt:
Die Intention der Inselbewohner bei der Errichtung und die Tatsache,
dass die Statik der Statue nicht gerade perfekt war. Schliesslich
stürzte sie nach relativ kurzer Zeit um. Ausserdem wurde sie
nicht wiedererrichtet. War der Grund dafür vielleicht, dass
die Teile im Meer lagen und man nicht über das know how verfügte,
sie zu bergen? Wir dürfen der Phantasie freien Lauf lassen!