Leben und Lust im antiken Sparta

Im gemeinhin ausgesprochen strengen System der Spartaner genossen die Frauen ungeahnte gesellschaftliche und vor allem sexuelle Freiheiten.

Das Streben der Spartaner, den perfekten Staat zu schaffen und den perfekten Krieger der ihn bewacht, konzentrierte sich auf den männlichen Nachwuchs der Stadt. Einmal in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen, kümmerte sich der Spartiate weder um die anfallende Arbeit noch um die anderen Dinge des täglichen Lebens. Die Tage verbrachten er mit Training und Kampf, die Abende mit den Kumpanen.

Während man dieses Gebaren dem Junggesellen im Allgemeinen nachsieht, würde man doch erwarten, dass ein verheirateter Familienvater seinen Rhytmus ändert. Das mag zwar überall gelten aber sicher nicht in Sparta. Familie spielte eine sehr untergeordnete Rolle im Leben eines männlichen Spartaners. Dies war nicht nur staatlich sanktioniert, eine der wesentlichen Ursachen dürfte auch in der Erziehung der Jungen liegen.

Eine Jugend in Sparta

Sparta duldete in den Reihen seines männlichen Nachwuches keine Schwächlinge. Neugeborene (vornehmlich die männlichen) wurde von den Ältesten begutachtet. Entsprachen sie nicht den Standards, den Normen für einen künftigen Spartiaten, wurden sie in eine tiefe Schlucht geworfen. Das Urteil der Ältesten war endgültig, das Ergebnis tödlich. Dieses Eugenikprogramm war eine selbst für spartanische Verhältnisse exotische und besonders grausame Institution.

Nun war das Aussetzen unerwünschter Kinder durchaus nicht unüblich in Griechenland, ungewöhnlich war die Art und Systematik der Spartaner. Ausgesetzte Kinder oder Babys hatten eine wenn auch kleine Überlebenschance. Nicht nur im Mythos geschah es, dass sich jemand des Kindes annahm und es aufzog. Dies schloss das spartanische System aus. Im Rest Griechenlands wurden hauptsächlich Mädchen als vermeintlich nutzlos ausgesetzt. In Sparta waren die Jungen die Opfer.

Im Alter von sieben Jahren trennte man die Jungen von den Müttern. Eine brutale Ausbildung begann. Bis zum Alter von 22 dauerte sie und viele überlebten sie nicht. Die Jungen hausten in den Bergen unter der Führung von älteren Jungendlichen und später Kriegern. Sie bekamen kaum Kleidung und nicht genug zu essen. Man erwartete, dass sie sich den Rest ihres Essens zusammenstahlen. Wer erwischt wurde, hatte eine harte Strafe zu erwarten und zwar nicht weil er stahl, sondern weil er sich zu dumm dabei angestellt hatte.

Permanent wurden sie Prüfungen unterzogen. Die Jungen maßen sich nicht nur untereinander, sie wurde auf ihre Grenzen getestet. Einer dieser befremdlichen Riten war der Rite of passage am Heiligtum der Artemis Orthia. Auf dem Altar wurden kleine Käse und andere für Zwölfjährige (zumal halbverhungerte) unwiderstehliche Spezereien plaziert. Aufgabe war es, so viel Käse wie möglich zu stehlen. Soweit so gut - allerdings bewachte eine ganze Phalanx von Epheben den Altar. Bewaffnet waren sie mit langen Stöcken und schlugen erbarmungslos auf die Kleinen ein. Schwerste Verletzungen, sogar Tod waren das Ergebnis. Aristoteles kritisierte, die Spartaner erzögen ihre Kinder zu wilden Tieren.

Der schönste Tag im Leben

Während der ganzen Zeit ihrer Ausbildung gab es sogut wie keinen Kontakt mit Vertretern des anderen Geschlechts. Dagegen machten die Jugendlichen während dieser Zeit ausgiebig homosexuelle Erfahrungen. Das war auch so gewollt. Es sollte die Verbundenheit, den Einsatz füreinander stärken. Die ausdrückliche Förderung und Forcierung homoerotischer Beziehungen hatte allerdings zur Folge, dass viele der jungen Männer bis zum Tag ihrer Eheschließung keinerlei Erfahrung im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht hatten. Vermutlich hätten sich viele der Krieger lieber einem bis an die Zähne bewaffneten Skythen gestellt als der Hochzeitnacht mit der Angetrauten.

Um den unerfahrenen Kämpen den Einstieg ins Eheleben einfacher zu gestalten, ließ sich das System einiges einfallen. Anstelle einer netten Hochzeitsfeier raubte man sich eine Braut. Das ist noch nicht so ungewöhnlich, der weitere Verlauf der Hochzeitsnacht gibt einem aber schon zu denken. Der Frau wurden die Haare abgeschoren und sie wurde in einen abgedunkelten Raum gebracht. Dort erwartete sie ihren Zukünftigen.

Der beschränkte seinen Besuch auf den Vollzug der Ehe, tat was man von ihm erwartete und verschwand dann wieder in sein "Vereinshaus". Und nicht alle der Streiter tauten nach den ersten Erfahrungen mit der Angetrauten auf. Manchmal zog sich dieser Zustand Monate oder sogar Jahre. Sie waren wahrhaft keine Romantiker diese Spartaner. Einem außenstehenden Betrachter kommt es so vor, als verstanden die Männer das Zeugen eines Sohnes als Dienst am Vaterland und zwar ausschließlich. Die stetig sinkenden Geburtsraten sind zumindest ein Indiz für die Historizität solcher Anekdoten.

Ein Frauenleben in Athen

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten es die Spartanerinnen ganz besonders schwer gehabt in der Antike. Der zweite Blick eröffnet, dass dem durchaus nicht so war. Ganz im Gegenteil genossen sie ungeahnte Freiheiten.

Von einer Frau im ob seiner Demokratie und Freiheit so hoch gelobten Athen wurde mehr oder weniger erwartet, unsichtbar zu bleiben. All die Vergnügungen und Annehmlichkeiten des Lebens waren Männern vorbehalten. Es gab zwar illustre Aunahmen von der Regel, im Allgemeinen jedoch nahmen die Frauen am öffentlichen Leben nicht teil. Gerade einmal zu religösen Anlässen zeigten sie sich in der Öffentlichkeit.

Ab dem 12. Lebensjahr konnten sie verheiratet werden. Ihnen wurde nur das Notwendigste beigebracht. Sie lernten etwas über Haushaltsführung und das war es. Ein besonders ganz witziger Zeitgenosse brachte es folgendermaßen auf den Punkt: Frauen das Lesen lehren? Ein fataler Fehler! Das ist als gäbe man einer ohnehin schon furchterregenden Schlange zusätzlich noch Giftzähne. Typisch Männer! Wir lernen daraus: Soweit war es nicht her mit der Freiheit im großen Athen.

Spartanerinnen

In Sparta beherrschten Frauen das Stadtbild. Während die Männer Krieg spielten, managten die Frauen die "profanen" Dinge des täglichen Lebens. Ohnehin waren sie in der Überzahl. Im Gegensatz zu den Jungen waren die Mädchen im Allgemeinen nicht dem oben erwähnten Eugenikprogramm unterworfen. Ihre Überlebenschancen standen recht gut. In Sparta war vieles anders. Das betraf auch die Wertschätzung der Frau.

Mädchen erhielten in Sparta eine anständige Ausbildung. Sie lernten tanzen, singen genauso wie den Diskuswurf und das Ringen. Sie wurden ermutigt, genauso anspruchsvoll an ihre körperliche Fitness zu sein wie Jungen. Ebenso erhielten sie dieselben Rationen wie Jungen und durften Wein trinken.

Trainiert wurde nackt und im Freien. Nacktheit hatte nichts unmoralisches. Sie sollte Prüderie verhindern und die Fitness verbessern - keine geschickt verhüllten Geheimnisse. Der Plan ging auf. Spartanische Frauen waren gefürchtet und bewundert unter den Nicht-Spartanern wegen ihrer Kraft und Schönheit. Ein regelrechter Mythos umgab sie.

Dichter schwärmten von Sparta als dem Land der schönen Frauen. Die spartanischen Tänze waren berühmt wegen ihrer Energie und Lebendigkeit. Die Figurinen der Tänzerinnen im Museum von Sparta versprühen heute noch einen Eindruck von der Kraft und Vitalität der Spartanerinnen. Bei einer der Übungen sprang Frau in die Luft und zog die Beine an. Die Füße berührten dabei das Gesäß. Diese Übung musste so oft wie möglich wiederholt werden. Allem Anschein nach erfreute sie sich auch großen Erfolgs bei den ZuschauerInnen. Die nur spärlich bekleideten Tänzerinnen entblößten bei dieser Übung offenbar besonders viel nackte Haut.

Nach allem was wir über die spartanische Gesellschaft gelernt haben, überrascht es nicht wirklich, dass in Sparta auch Frauen zu gleichgeschlechtlicher Liebe ermuntert wurden. Was dem einen Recht ist, kann dem anderen nur billig sein. In Anbetracht der besonderen Situation in Sparta ist durchaus vorstellbar, dass reichlich Gebrauch davon gemacht wurde. Selbst heute fühlt sich mancher Staat überfordert mit der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe, nur ein Indiz, wie progressiv das antike Sparta in mancher Hinsicht war.

Der Staat der Frauen

Aristoteles beschrieb Sparta als eine Gyneocratia, einen Staat der von Frauen geführt wurde. Er meinte es nicht als Kompliment. Mindestens ebenso bekannt wie für ihre Athletik waren die Spartanerinnen für ihren Grad an Gleichberechtigung.

Im Gegensatz zu anderen Poleis (griechische Stadtstaaten) durften sie zum Beispiel Land besitzen und in ihrem eigenen Interesse bewirtschaften. In Athen dagegen war das exklusives Bürgerrecht. Unnötig zu erwähnen, dass nur Männer dieses Bürgerrecht besaßen. Eltern oder Verwandte kontrollierten den Besitz der Frau und arrangierten Eheschließungen. In Sparta hatte die Frau offenbar sogar die Möglichkeit, sich ihren Gatten selbst zu erwählen.

Sie forderten die Männer im täglichen Leben heraus, in der Politik und sogar im Allerheiligsten - der Arena. Einige wenige wurden zu echten Stars. Von Kyniska zum Beispiel wissen wir, dass sie nicht nur sehr wohlhabend war, ihr gehörte auch ein Pferdegespann. Sie fuhr es zwar nicht selbst (bei den großen Rennen waren Frauen nicht zugelassen), aber sie trainierte es. Die Fahrer waren von ihr angestellt.

Allein die Tatsache, dass eine Frau Besitzer, Trainer und Manager eines "Rennwagens" war, muss als ungewöhnlich gelten. Kyniska begnügte sich aber nicht mit einer Rolle im Hintergrund. Sie hatte große Ambitionen, wollte Erfolg. Am Ende gewann ihr Wagen zweimal hintereinander die Olympischen Spiele und sie machte wahrlich kein Geheimnis daraus. Auf einer Weiheinschrift in Olympia erklärte sie stolz, sie sei die einzige Frau in ganz Griechenland, die jemals diese Krone errungen habe.

Auch im politischen System spielten Frauen eine gewichtige Rolle. Zwar hatten sie keinen Zugang zu Ämter, doch hieß das nicht, sie hätten keinen Einfluss. Ausgebildet in der Kunst der Rede nutzten sie diese, um ihren Standpunkt klar zu machen. Mit kleinen Versen lobten oder tadelten sie. Es geht die Legende, dass mit ihren Äußerungen sie auch dem abgebrühtesten Krieger die Schamesröte ins Gesicht treiben konnte. Allein um dem beißenden Spott der Frauen zu entgehen würde ein Krieger beinahe alles tun.

... und die Moral von der Geschicht?

Die Frauen waren das Rückgrat des Staates. Nichts lief ohne sie. Offenbar waren sie eifrige Anhänger des Systems und ein feiger Sohn hatte vor dem Auge der Mutter keine Gnade zu erwarten. Das Interesse des Staates stand an erster Stelle. "Mit oder auf deinem Schild kehre zurück aus der Schlacht." - entweder siege oder stirb in der Schlacht riefen Mütter ihren Söhnen hinterher.

Es fällt einem Außenstehenden schwer, das spartanische System zu verstehen. Leider stammen die meisten Informationen die wir über Sparta haben von Nicht-Spartanern. Es gibt einige Indizien, dass die Mär vom fanatischen Kriegerstaat nicht den wirklichen Charakter Spartas trifft, das Wesen des Ganzen unzureichend beschreibt. Die Rolle der Frau ist nur eines. Sicher ist die Behandlung der Jungen mehr als befremdlich, letztlich diente sie der Verwirklichung eines Ideals.

Bezüglich der inneren Sicherheit hatten sie eine Art Paranoia, immer auf der Hut. Trotzdem besagt ein Sprichwort, es sei leichter 10.000 Athener zum Krieg zu überreden als einen einzigen Spartaner. Und die Geschichte lehrt uns, dass dieser Satz durchaus zutrifft. Vielleicht war doch wesentlich mehr dran an der ganzen Geschichte, die Ideologie der Spartaner vielschichtiger als wir bisher dachten. Leider wurde Sparta bekannt für sein nicht-schreiben, nicht-schaffen. Es gibt kaum Zeugnisse, die aus Sparta den Lauf der Zeiten überstanden haben. So wird die Wahrheit vielleicht für immer verborgen bleiben.

 

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