Piraten der Karibik

Freibeuter mit der Lizenz zum Töten - am Kreuzungspunk der Handelswege in der Karibik wurden sie zu einem wichtigen Machtfaktor.

Am Anfang war alles harmlos, doch mit Duldung und Unterstützung der englischen Krone wurden Freibeuter und Piraten immer mächtiger und gefährlicher. Als sie sich schließlich unter einem begnadeten Anführer zusammen taten, konnten ihnen nichts mehr widerstehen. Die Piraten der Karibik wurden zur Geißel der Seefahrt und wandten sich schließlich sogar gegen ihre einstigen Gönner.


Die Karibik, vor allem die Inseln vor der Nordostküste Südamerikas, lockte neben den europäischen Großmächten und allerlei eher zweifelhaften Gestalten auch Siedler, die der Enge Europas und den unwürdigen Bedingungen ihrer Heimat entfliehen wollten. Vieler der Inseln waren unbewohnt und boten beste Bedingungen. Die Spanier ihrerseits betrachteten die kleinen Inseln als ihnen von Gott gegebenes Land. Immer wieder kam es zu Konflikten.

Auf Hispaniola zum Beispiel hatte sich eine Gruppe Franzosen niedergelassen. Wie alle anderen Siedler suchten sie ein Leben in Freiheit und Unabhängigkeit. Auf Hispaniola lebten sie von der Schweinejagd. Sie trockneten das Fleisch und verkauften es als Proviant an Schiffe.

Nach der Methode, die sie zum Dörren des Fleisches benutzten, wurden Sie auch Bukaniere genannt, abgeleitet von dem französischen Begriff boucanier – Fleischräucherer. Obwohl auch spanische Kapitäne bei diesen Siedlern Proviant einkauften, war ihre Präsenz bei deren Gouverneuren nicht wohl gelitten. Nach einigen vergeblichen Versuchen vertrieben sie die Siedler im Jahre 1630 endgültig von Hispaniola.

Den ehemaligen Jägern und Herdenbesitzern blieb nichts anderes übrig, als ihren Lebensunterhalt auf andere Art zu verdienen. Sie begannen, spanische Schiffe zu kapern und schnell entwickelten sie ihre ganz eigene Form der Freibeuterei. Für einen Akt von Seeräuberei hielten sie dies übrigens nicht, schließlich richtete es sich ja gegen die spanische Krone. Bald gesellten sich immer mehr Menschen zu ihnen und sie wurden zu einer bunt gemischten, nichtsdestotrotz schlagkräftigen Truppe.

Die ehemaligen Siedler waren ausgezeichnete Schützen und ihre rund 1,80 Meter langen Gewehre furchterregende Distanzwaffen. Schon während die Spanier sie von Hispaniola zu vertreiben suchten, hatte sie diese sehr erfolgreich eingesetzt und den Spaniern empfindliche Niederlagen beigebracht. Nun verlegten sie sich auf andere Ziele. Ob man ein flüchtendes Schwein, anrückende Soldaten oder aber den Steuermann eines Schiffs anvisierte, machte für den Schützen keinen großen Unterschied.

Mit kleinen Kanus näherten sie sich vorbei fahrenden Schiffen, erschossen mit ihren Gewehren zuerst den Steuermann und die Seeleute in der Takelage. Dann nahmen sie die Taue selbst unter Beschuss, schossen das Schiff in kürzester Zeit manövrierunfähig. Bis an die Zähne bewaffnet enterten sie schließlich das Schiff und plünderten, was es zu plündern gab. Die Taktik war effektiv und tödlich. Bis 1665 gelangten immerhin 15 Prozent des spanischen Goldes in die Hände von Freibeutern.

Die übelste Stadt der Welt

Die Piraten stahlen nicht nur Gold, auch eine große Anzahl Schiffe fiel in ihre Hände. Sie bevorzugten dabei kleine und wendige Schiffe, am liebsten Schaluppen. An Bord eines solchen Einmasters passten bis zu 100 Mann und er war extrem schnell. Nach und nach wurden die ehemaligen Bukaniere zu echten Seeleuten.

Das Problem mit Schiffen war, dass sie regelmäßiger Wartung bedurften. Würmer griffen das Holz an und Muscheln setzen an den Planken fest. Während des Kielholens war man praktisch aber wehrlos. Die Piraten brauchten also einen sicheren Hafen, wo Schiffe überholt und natürlich auch erbeutete Ware verkauft werden konnte. Ein solches Plätzchen gab es.

Zum wichtigsten Stützpunkt der Freibeuter entwickelte sich bald Port Royal auf Jamaika, damals eine britische Kolonie. Der Gouverneur der Insel hatte eine Prämie für jeden ausgesetzt, der half, die Stadt gegen die Spanier zu verteidigen. Deren Schiffe zu kapern und Besitzungen zu plündern wurde durchaus als aktive Hilfe verstanden und so zog Port Royal allerlei zwielichtige Gestalten an und hatte bald den Ruf, die übelste Stadt der Welt zu sein.

Die Halbinsel, auf der die Stadt lag, hatte zwar keine Frischwasserversorgung, aber sie umgab einen der größten natürlichen Häfen der Welt. Im Jahre 1692 lebten etwa 8000 Menschen in Port Royal und sie war in mancher Hinsicht das Zentrum des Bösen. Die Bevölkerung bestand fast ausschließlich aus Piraten, Huren und Verbrechern, die Stadt war Ausgangspunkt fast jeglicher piratischer Aktivität in dieser Zeit.

Während ihrer Blütezeit war Port Royal eine der reichsten Städte der Welt und das lag nicht zuletzt an ihrem wohl berühmtesten Sohn. Im Jahr 1665 traf ein junger Waliser in der Stadt ein und machte dank seines Geschicks schnell Karriere. Unter ihm vereinigten sich die Piraten zur größten Streitmacht, die die Karibik je gesehen hatte und verpassten den Spaniern eine der bittersten Lektionen ihrer Geschichte. Sein Name war Henry Morgan.

Der König der Piraten

Morgan war eine in mehrerer Hinsicht beachtliche Gestalt. Für einen Freibeuterkapitän mehr als ungewöhnlich war ein lausiger Seemann. Während seiner Zeit als Freibeuter soll er kein einziges Seegefecht gewonnen und mindestens vier Schiffe durch seine nautische Unbedarftheit verloren haben. Allerdings war er ein begnadeter Militärtaktiker und das glich seine fehlende seemännischen Qualitäten mehr als aus. Und er lernte bei den Freibeutern noch dazu.

Ihre Taktik war relativ einfach, durchaus aber effektiv. Man landete an einem einsamen Strand und marschierte – oft viele Kilometer – durch den Dschungel, griff die Stadt durch wenig bewachte die Hintertür an. Das Überraschungsmoment war so auf ihrer Seite. Als den besten Termin hatten die Strolche den Sonntagmorgen erkannt. Als brave Katholiken waren die Spanier da in der Kirche, man hatte leichtes Spiel. Zudem griff man bevorzugt relativ unbedeutende Außenposten, abseits der wichtigen Handelswege an. Sie waren kaum bewacht und versprachen trotzdem genügend Beute.

Zunächst Morgan sich beteiligte an einigen kleineren Raubzügen. Anders als seine Mitpiraten verprasste er seinen Anteil allerdings nicht, sondern sparte ihn. Bald hatte er genügend Mittel beisammen, um eigen Kaperexpeditionen auszurüsten. Seinen ersten großen Coup landet er schon Mitte 1668. Wie es heißt mit Billigung des englischen Gouverneurs von Jamaika, überfiel er die Stadt Porto Bello und erbeutete große Mengen an Gold, Silber, Perlen, Edelsteinen und Handelwaren, die auf den Abtransport nach Europa warteten.

Schon im Frühjahr 1669 schlug er erneut zu. Mit einem Trupp von fast 500 Mann suchte er die spanischen Siedlungen Maracaibo und Gibraltar heim und wiederum machte man reiche Beute. Morgan erarbeitete sich mit diesen Raubzügen eine beachtliche Reputation. Mit dem Jahr 1671 war diese soweit gestiegen, dass er sich zum "Chefadmiral aller Bukaniersflotten und Generalissimo der vereinigten Freibeuter von Amerika" ernannte und seinen größten Coup in Angriff nahm. Das Ziel war die bedeutendste und reichste Niederlassung Spanisch-Amerikas: Panama.

Angriff auf Panama

Panama liegt an der pazifischen Küste, von den Piraten der Karibik trennte sie gut 30 Kilometer undurchdringlicher Dschungel. Die Spanier hielten die Stadt deshalb für sicher, allerdings hatten sie nicht mit Henry Morgan und seiner unersättlichen Gier gerechnet. Nach seinen ausgesprochen erfolgreichen Unternehmungen in Porto Bello an der panamesischen Karibikküste und in Venezuela, richtete sich sein ganzes Streben darauf, das goldene Zentrum des spanischen Imperiums zu erobern.

Neben der vermeintlich reichen Beute war es auch ein symbolischer Akt, er wollte die Spanier demütigen. Panama war dafür das geeignete Objekt. Morgan rekrutierte eine gewaltige Armee. Mehr als 2000 Piraten versammelten sich unter seiner Führung und machten sich auf den Weg, das Unmögliche zu erreichen.

Mit 38 Schiffen machten sie sich auf den Weg nach Fort San Lorenzo am Fluss Chagres. Der Plan war, das Fort auszuschalten und von dort aus per Kanu flussaufwärts ins Landesinnere vorzudringen. Das gelang soweit, vom Oberlauf des Flusses mussten sich die Piraten jedoch zu Fuß weiter vorarbeiten. Es wurde ein langer und bitterer Marsch. Moskitos, Blutegel und anderes Getier setzten ihnen zu, dazu kamen Indianerüberfälle und Hunger. Am Ende aßen sie sogar ihre Schuhe, der Marsch war eine unglaubliche Tortur.

Nach neun langen Tagen erreichten sie schließlich die Ebene vor Panama City. Ein Überraschungsangriff wurde es nicht, die Spanier waren lange gewarnt. Der Gouverneur der Stadt hatte seine Truppen vor den Mauern der Stadt postiert. Allerdings waren unter den fast 2000 Mann nur etwa 300 reguläre Soldaten, der Rest waren Zivilisten. Sie hatten den kampfgestählten Piraten kaum etwas entgegen zu setzen. Morgans Männer machten kurzen Prozess mit ihnen.

Immerhin für eines hatte Don Juan der Gouverneur gesorgt, viel Beute gab es in Panama nicht mehr zu holen. Die Spanier hatten das meiste versteckt, den Rest sprengten sie kurzerhand in die Luft. Zu allem Überfluss übersahen die Piraten auch noch das wertvollste Stück in der Stadt – den goldenen Altar der Kathedrale. Ein einfallreicher Mönch hatte ihn kurzerhand mit weißer Farbe übertüncht, die Piraten fielen darauf herein.

Finanziell war die Mission eher ein Desaster, die Piraten waren im Nachhinein unzufrieden und beschuldigten Morgan, er habe sie betrogen. Der politische Schaden für Spanien war allerdings immens. Man sagt, die Königin von Spanien habe geweint, als sie von der Zerstörung Panamas erfuhr. Sie forderte Morgans Kopf.

Morgan – Held der Krone

Um die Spanier zu beschwichtigen, ließen die Engländer Morgan festnehmen und nach London überführen. Dort wurde er als Held empfangen und mit großen Ehren überhäuft. Die Königin ernannte ihn gar zum Vizegouverneur von Jamaika. Als Sir Henry Morgan kehrte er nach Jamaika zurück.

Es wurde von ihm erwartet, genau die Piraten festzunehmen, die ihm einst geholfen hatten, spanische Besitzungen zu überfallen und auszuplündern. Morgans Enthusiasmus hielt sich in Grenzen. Er war ein ausgesprochen lustloser und bestenfalls mittelmäßiger Beamter. Dafür entwickelte er sich zu einem gottlosen Säufer.

Er verbrachte mehr Zeit mit damit, in Kneipen herum zu hängen und sich mit seinen alten Kameraden zu besaufen, als sich um die Amtsgeschäfte zu kümmern. Mit der Zeit wurde er immer depressiver, man sagt er bereute seine Gräueltaten, soff sich schließlich zu Tode.

Er starb am 25. August 1688. Als Dank für seine Verdienste für die Englische Krone bekam er ein Staatsbegräbnis auf Port Royal. Aus 22 Kanonen wurde Salut geschossen und man rief einen gesetzlichen Feiertag aus. Es war das letzte Mal, dass in einer britischen Kolonie ein Pirat gefeiert wurde.

Nur vier Jahre später kam das jüngste Gericht über Port Royal. Am 7. Juni 1692 wurde es von einem gewaltigen Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami fast vollständig zerstört. Weite Teile der Stadt versanken im Meer. Es war wie ein Zeichen. Die Seeräuber, einst wohl gelittene Helfer beim Kampf gegen die Spanier, wurden zu Gesetzlosen erklärt. Von nun an waren sie mit der ganzen Welt im Krieg und obwohl sie ihre Lizenz zum Plündern verloren hatten, wurden die nächsten 30 Jahre zum Goldenen Zeitalter der Piraterie.


Weiter zu Teil 3: Das goldene Zeitalter der Piraten
Lesen Sie auch den ersten Teil: Der Aufstieg der Freibeuter

 

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